Freitag, 16. Dezember 2016

Der nackte Facebook-Wahnsinn: Wenn Nicht-Turnierreiter Turnierreiter verunglimpfen

Wir alle kennen ihn, den einen kriminellen Flüchtling. Wir kennen sogar womöglich mehrere kriminelle Deutsche, aber kämen wir dann auf die Idee zu sagen: Wenn ich einen kenne, dann sind alle kriminell? Wohl kaum. 
Anders verhält es sich wohl bei der Beurteilung von den Turnierreitern. Auch hier kennt auch jeder den einen Fall, bei dem das Pferd blutig geritten wurde - ob durch Sporen oder Gebiss. Wenn es einer macht, dann werden leider schnell alle angeklagt. Heute habe ich z.B. diese beiden Kommentare zu einer neuen Facebook-Like-Seite entdeckt.

ich bin geschockt und mal wieder unglaublich wütend auf diese Turnier- und Westernszene, die sich anscheinend immer weiter durch setzt... Damals sind viele auf Western umgestiegen, weil es eben nicht so lief, wie im Englisch Sport... Und heute? Was kommt denn noch?? Einfach undenkbar traurig für diese armen Pferde, die eigentlich so dankbar und gutmütig sind, wenn man sie vernünftig behandelt. 


auch ich habe diese gruselige Entwicklung der Hörnersattelreiter mitbekommen. Fast jeder hat inzwischen schon diese seltsame Gangart der Pferde in Amiland gesehen, die vorne "galoppieren" und hinten traben. Oder war es anderes herum? Und auch die Westernpferdchen in Deutschland tragen die Nase leider immer tiefer. Und dann dieses kurze scharfe Anziehen dieser von Glitzerblüschendamen vornehmlich zarten Hände (sind ja meistens Frauen) an der Kandarre, so dass der Unterkiefer des Pferdes mal eben ganz rasant mit aufgerissenem Maul an der Pferdebrust andockt. Ich habe Dyslie reiten sehen. Wie schön laufen seine Pferde unter ihm in absoluter Selbsthaltung. Wo ist das hin ??? Daher begrüße ich jede Seite, die auf solche Methoden zum Training hinweist und aufklärt 

Vorweg sei angemerkt, dass auch für mich Pferde in der Box oder auf dem Platz auszubinden genauso ein No-Go ist wie das Köpfe hochbinden, das bei den Pleasurereitern angeblich üblich sein soll. Also ich persönlich kenne zwar jetzt keinen, der diese Methode anwendet, aber die Leute, die auf Facebook so schreiben, wissen es aus erster Hand und es ist damit wohl nicht von der Hand zu weisen, dass es mehrere solcher Einzelfälle gibt: ein Fall fürs Veterinäramt oder die Polizei sollte man meinen. 
Den Facebook-Post, der Ursprung für obige Kommentare war, die ja nun das Westernreiten an sich in Frage stellen, habe ich mal gescreenshotet und gecopy-pastet. Ich zitiere aus dem Begrüßungpost 



"(Wir) sehen bei Kursen und auf fremden Reitanlagen, oftmals Trainingsmethoden, die weit ab von jedem Pferdeverstand sind. Manchmal sind es auch Pferdebesitzer und neue Reitschüler die erzählen was der vorherige Trainer so alles mit dem (mittlerweiler versauten) Pferd so alles angestellt hat. Das nun zum "Problempferd" gewordene Pony hatte wahrschein nur ein Problem: Pferdetraining ohne Hirn und Verstand! Problempferde - egal ob physisch oder psychisch sind meist handgemacht. Wir werden in losen Zeitabständen (wie es eben der restliche Job zu lässt) Euch einige dubiosen, leider parktizierten und akzeptieren Trainingsmethoden vorstellen. Wir wolen mit diesen Berichten aufklären, für Verbesserung sorgen und niemanden an den Pranger stellen und bitten Euch daher, auch bei Kommentaren zum einen etwas auf den guten Ton zu achten und keine Namen zu nennen." (da darum gebeten wird, keine Namen zu nennen, habe ich diese durch "Wir" ersetzt und die Passage, die mich ärgert fett markiert, Rechtschreibfehler sind nicht von mir, weil: Copy & Paste)

Ist ja erstmal eine gut gemeinte Idee, keine Namen zu nennen, aber wenn man von praktizierten und akzeptierten Trainingsmethoden spricht, dann ist es ja auch gar nicht nötig, Namen zu nennen, weil Kommentare wie die obigen zwangsläufig dazu führen, dass ganze Gruppen von Menschen öffentlich angeklagt werden: Die Turnierreiter an sich, die Westernreiter, die Pleasurereiter. 
Nun ist ausgerechnet die Dehnungshaltung ein Thema, das mich sehr interessiert, weil ich es ein Jahr lang intensiv für einen Artikel für ein Pferdekursportal recherchiert habe:



Einleitend sei gesagt, dass ich vom Hörensagen "weiß", dass beide Trainer selbst Turniere geritten sein sollen, auch wenn ich im Internet beim besten Willen keine Ergebnisse von ihnen finde. Beide Trainer geben aber zumindest Turnierreitern Unterricht, obwohl sie nach Selbstaussage seit Jahren keine Turniere mehr reiten. Einen von beiden kenne ich übrigens persönlich, weil ich einmal einen Wochenendkurs bei ihm besucht habe: Der erste Tag war Turniervorbereitung und der Zweite ein Trainingsturnier - da gab es auch so gesehen erstmal nichts zu beanstanden, zumindest für Turnierneulinge. 
Bei einer anderen Gelegenheit hat derselbe Trainer aber auf einer öffentlichen Veranstaltung ins Mikrofon gesagt, er würde keine Turniere mehr reiten, hätte es früher gemacht, aber wenn man dann durch die Boxen ginge: All die Pferde mit den toten Augen, das wolle er nicht unterstützen. (Immer wenn ich ihn daran erinnere, sagt er, es sei damals nur um das Einreiten von Zweijährigen gegangen - das hat aber aus der Gruppe von Leuten, mit der ich bei der Veranstaltung war, jeder irgendwie überhört - kommt vor). Ich habe mich damals (bedingt durch das versehentliche Überhören der Zweijährigen-Kiste) im Stillen gefragt, ob ein Turniervorbereitungskurs denn nicht auch, ja sogar ganz gewaltig, das Turnierwesen unterstützt und habe schon damals im Stillen gedacht: "Das wird ein interessanter Beitrag in einem Blog" - tada. 

Mit diesem keine-Namen-nennen macht man sich aber zum Komplizen und fordert, wenn man sagt, dass auch andere keine Namen nennen sollen, diese auch zu einer Art Komplizenschaft mit kriminellen Tierquälern auf. Keine Namen zu nennen verharmlost den Tatbestand: Was hilft dem armen hochgebundenen Tier denn so ein Facebook-Post? Die schwarzen Schafe, die es machen, wussten ja auch vor diesem Post schon, dass ihr Tun und Treiben nicht rechtens ist, denn immerhin sind sich ja alle einig, dass es ausschließlich hinter geschlossenen Türen praktiziert wird - umso erstaunlicher, dass es dann doch so viele Augenzeugen gibt - ich muss das jetzt nicht verstehen.
Aber so gesehen stellt sich mir schon die Frage, ob es vielleicht doch - wenn auch nur ein kleines bisschen - gegen die Westernturnierreiter geht mit dieser Trainingsmethoden-Anklageseite? Folgendes Zitat auf besagter Facebook-Seite mit dem Untertitel "manchmal einfach zum Kot..." (was ist hier gemeint: Kacka oder Übelkeit?) lässt das zumindest vermuten:

"Ein anderer Begriff, dem manchmal auch eine besondere Art des Trainings vorrausgeht, ist der sogenannte „Peanutroller“. Dieser ist vor einigen Jahren entstanden, als es schick und üblich war, in der Western Pleasure seine Pferde mit der Nase knapp über dem Boden zu reiten. Bilder die heute zum Glück nicht mehr ganz so häufig zu sehen sind und auch eigentlich nicht regelkonform sind. - Hier schon einmal vorweggenommen, dass es sich nicht darum dreht eine Disziplin oder Sportreiten an sich schlecht zu reden, sondern einfach ein (leider) noch immer praktizierte Trainingsmethode zu beleuchten. - Schick sind aber immer noch Pferde, die oft viel zu tief eingestellt, mit wenig Tempo laufen und einen katastrophalen Viertakt im Galopp zeigen. Die nun gleich vorgestellte „Trainingsmethode“ wird aber auch gerne für allen anderen Pferde benutzt die gerne einmal mit etwas zu hohem Kopf laufen und sich schlecht fallen lassen, bzw. runter zu reiten sind.
Man merkt es spätestens hier – die Idee ist ein Pferd, das den Kopf fallen lässt und am besten da unten auch lässt! Die fragwürdige Methode dazu: das Pferd über einen längeren Zeitraum (gerne auch mal über Nacht) hoch angebunden in der Box stehen lassen. Zugegeben es funktioniert – einmal losgemacht fällt der Kopf und das Pony hat während der Trainingseinheit oder dem Go auf dem Turnier keine Lust mehr den Schädel hoch zu nehmen. Warum runter arbeiten wenn es so auch geht! Wer sich diese Frage gerade stellt, kann hier abbrechen zu lesen, für alle andere erkläre ich was im Pferd passiert."



Was mich irritiert ist, dass auf der einen Seite die Turnierwesternreiter mit Formulierungen, wie "schick und üblich" und "die (..) Trainingsmethode wird aber gerne auch für alle anderen Pferde benutzt" kritisiert werden, es aber auf der anderen Seite heißt: Es geht nicht gegen den Sport. Ja, was denn jetzt? 
Wenigstens wird eingeräumt, dass es dieses Problem heutzutage kaum noch gebe, sondern es sich auf eine Mode beziehe, die man isbd. vor Jahren auf Turnieren gesehen hätte. Aber wenn die Verbände doch zwischenzeitlich so effektiv reagiert haben, dass man die umstrittene Kopfhaltung heute kaum noch sieht, welchen Sinn macht denn dann dieser Post? Zu historischen Zwecken? Bei den heute noch verbliebenen Einzelfällen sollte man doch deren Namen genauso nennen wie im Fall von Mark Aballo und der durch Ausbinden zum Tode verunglückten Painthorsestute "Bella gunnabe gifted", der dann die Konsequenzen für sein Tun tragen muss. Jetzt schrieben die beiden Herren der Like-Seite ja explizit, sie seien persönlich Zeuge dieser Tierquälereien geworden. 
Ja, aber: Wenn man Zeuge solch tierschutzwidriger Praktiken wird, dann ist man meines Erachtens sogar verpflichtet, Namen zu nennen und zwar bei der Polizei oder beim Veterinäramt. Denn so etwas ist definitiv tierschutzwidrig und den Pferden ist nicht geholfen, wenn man die Täter auch noch deckt. Das wäre ja sonst wie: "Ich habe einen Mord oder Raubüberfall beobachtet, habe den Täter zwar erkannt, aber ich nenne keine Namen. Bin ja nicht so"

Unsere Queenie: Zügel lang, Kopf weg
Ich reite ja jetzt keine Pleasure, weil ich da bisher zu dusselig zu war, aber unser Jungpferd hat halt auch diese Bevorzugung zur so genannten Trüffelschwein-Manier (Foto) und ... nein ... sie wurde nicht hoch ausgebunden, die macht das einfach. Begriffe wie "schick" sagen der nichts - es ist ja ein Pferd. Aber auch wir Menschen finden das nicht wirklich schick: Wir sehen uns selbst ja mehr als Reiner oder als Trail- und Westernriding-Reiter, aber - schick-hin-oder-her: Unser Jungspund mag es halt langsam und die Nase purzelt sofort gen Boden, sobald man die Zügel locker lässt - hat möglicherweise etwas mit der Schwerkraft zu tun oder auch mit der Anatomie des Pferdes schlechthin. Da uns dieses Slowmotion-Pferd aber nun mal als Kuckucksei untergejubelt wurde, testen wir nächstes Jahr einfach mal alle Disziplinen (inklusive Pleasure) an, denn unsere Queenie ist ja noch kein Showpferd, sondern ggf. nur auf dem Weg dazu (HIER nachzulesen). 
Nun aber mal angenommen, Madame ist jetzt vom Fleck weg in der Pleasure platziert und in allen anderen Disziplinen nicht, weil sie sich eben am Liebsten im Schneckentempo bewegt (und sogar untertritt dabei). Was machen wir denn dann? Dann sagt jeder: "Guck mal wie das Pferd mit der Nase in den Boden läuft, das wurde bestimmt über Nacht hoch ausgebunden." 

Und dann steht ja noch die Frage im Raum, ob es wirklich schädlich fürs Pferd ist, mit der Nase im Sand zu schlurfen?

ZITAT: "Der Kopf ist "schön" tief (und wie gesagt es geht nicht nur um Sportreiten!) – der Rest ist aber eigentlich einfach Scheiße! Kein Rücken und kein Untersetzen der Hinterhand (Hankenbeugung) aber schön tief und gefühlt locker!"

Was qualifiziert aber den Autor dieser Zeilen nun dazu, das Gangwerk der namenlosen Pferde zu beurteilen? Wenn man Behauptungen aufstellt, die nicht (wie z.B. in einem Blog) als persönliche Meinung erkannt werden, dann muss man doch eigentlich Quellen nennen (habe ich zumindest mal so gelernt) und wenn man keine Quellen nennt, spätestens dann sollte man selbst doch irgendeine Qualifikation vorweisen können, die einen zu einem derartigen Urteil befähigt, oder? 
Da weder Quellen noch Qualifikationsnachweise angegeben worden waren, habe ich Frau Google nach den Qualifikationen der beiden Herren befragt - die konnte aber auch nichts finden. Die hat ja auch schon bei den Turniererfolgen versagt, die gute Frau Google. Da ich Trainer Nr. 1 ja persönlich kenne, habe ich es Frau Google leicht gemacht und die Website zu Fuß eingegeben: Und wo bin ich gelandet? Auf einer Annonce von www.tiere.de. 
Bei Trainer Nr. 2 habe ich immerhin als (einzige?) Qualifikation, ein Praktikum in den USA gefunden. Aber auch da: Nullkommanix auf dem Gebiet der Biomechanik oder Pferdephysiotherapie - wo sind denn jetzt die Quellen für das mangelhafte Gangwerk der namenlosen Pferde oder (noch wichtiger) für die Behauptung, dass es dem Pferd schadet in Trüffelschwein-Manier herumzulaufen?. Die Quellen für meine Meinung findet ihr übrigens im obigen 4my.horse-Artikel oder auch im Link unterhalb. Meine Quellen sagen nun, dass es weder um schön noch um schick geht, sondern um gesund. Wer hätte denn das jetzt gedacht: Da gibt es sogar ausgebildete Physiotherapeuten und Biomechaniker, die plädieren regelrecht für die TIEFE Dehnungshaltung:



So weit zum Thema, ob die Hinterhand hinten raus schaufelt oder untertritt, denn nach Meinung der Biomechaniker bedingt gerade die (tiefe) Dehnungshaltung ja das Untertreten der Hinterhand. 

Da der Blogbeitrag etwas lang geworden ist, gibt es morgen (Sonntag) einen Teil 2 mit den Positivbeispielen.


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