Montag, 27. März 2017

Die Geißel der Perfektion im Turniersport - Teil 1

Neulich habe ich auf Facebook folgende Worte gefunden: "Ihr Lieben, eigentlich wäre Facebook eine schöne Möglichkeit sich gegenseitig bei der Arbeit zu zuschauen neue Impulse zu bekommen, andere Wege und Tips. Der Weg ist das Ziel und der kürzester Reiterwitz lautet; ....jetzt kann ich es!!!!
Ich verstehe immer mehr (..) warum viele meiner Kollegen nur noch perfekte durchgestylte Bilder und Videos ins Netz stellen und nicht die ehrliche tägliche Arbeit mit ihren kleinen Höhen,Tiefen und Schwächen.

Herzlichsten Dank für die vielen schönen Kommentare! Aber wegen der teilweise so schrägen Bemerkungen die so weit weg jeglicher Realität sind habe ich mich entschlossen die Videos runter zu nehmen.

Jeder den die Arbeit interessiert kann mich zu Hause oder bei den Kursen zu besuchen und ist herzlich willkommen! Habe nicht die Zeit Posts so zu über wachen wie es wohl heute nötig ist....

Ich kann euch nur sagen es hat riesen Spaß gemacht mit dem Paar zu arbeiten und an Ostern sind sie wieder bei uns und ich freue mich sehr darauf.....
Alles Liebe euer Horseprojekte HB Classic Horst Becker"

Ich verstehe ihn gut. Ich finde es unerträglich, dass nicht selten Leute, die ihr Pferd so gerade einmal im Gelände kontrollieren können über die urteilen, die ihr Pferd bis zum fliegenden Galoppwechsel ausbilden. Ich habe ja auch im Partnerblog über Pferdeprofi Sandra Schneider geschrieben, dass ich es anmaßend finde, wenn jemand der noch gewisse Probleme mit einem geschmeidigen Sitz hat und deren (Beritt-)Pferden es an Gehorsam und den eigenen an Durchlässigkeit fehlt, sich hinstellt und über die Vielzahl der Westernreiter urteilt, weil diese ihrer Meinung nach ja riegeln und das dürfe man nie, nie, niemals, never ever machen, weil man sein Pferd damit ja ganz doll quält (das eine solche Kritik gegen Gruppen auch rechtlich relevant sein kann, lest ihr unter den Buchtipps unten).
Fancy fragt: Hä?
Dasselbe sei auch der Fall, wenn man hinten treibt und vorne gegenhält (Was sollen wir also jetzt tun? Regungslos auf dem Pferd sitzen?). Als Beweis führt Frau Schneider an, dass ihr eigenes Pferd das eben nicht versteht. Warum wundert mich das nicht? Man muss den Pferden ja auch in jahrelanger geduldiger Arbeit beibringen, dass sie unsere Hilfen verstehen. Da reicht es eben nicht, wenn man auf einer Demo mal zeigt, wie toll das eigene Pferd sich mit Halsring lenken lässt, auch wenn es erst fünf Meter später auf reiterliche Hilfen reagiert. Und: Nur weil ein Freizeitreiter nicht weiß, WIE es geht, ist damit ja nicht der Beweis angetreten, dass es GAR NICHT geht. Um noch einmal auf die beiden obigen Beispiele zurück zu kommen, wo dem landläufigen Westernreiter ja der Generalverdacht der Einschüchterung untergeschoben wird. Möchte man, dass das Pferd den Rücken wölbt, muss man vorne halten, hinten treiben, ist einfach so: Spannungsbogen halt. Aber das macht man natürlich nicht mit dem Youngster, der gerade antreten, lenken, anhalten lernt. Eben alles zu seiner Zeit mit so viel Zwischenschritten wie möglich.
Zum Riegeln möchte ich ergänzen: Meine erste Reaktion war auch: "Ich riegel doch nicht - nie im Leben", denn ich hatte das Bild vor Augen, in dem Reiter auf aggressive Weise durch Riegeln ihr Pferd in rasender Wut bestrafen: DAS will doch so wirklich niemand. Aber - wenn man wirklich ehrlich mit sich selbst ist: Was machen wir, wenn wir wirklich hohe Lektionen reiten und die dann auch noch in einer guten (soll heißen: turnierreifen) Manier präsentieren wollen?



Nehmen wir einmal als Beispiel das wohl schwierigste Manöver fürs Pferd: den fliegenden Galoppwechsel. Manche Pferde werden heftig, nachdem sie gewechselt sind (oder machen sich fest, sobald man das Bein anlegt). Was soll man nach Meinung von Sandra Schneider denn jetzt tun? Ob sie wohl jemals im Leben einen fliegenden Wechsel geritten ist? Das Pferd in dem Tempo rennen lassen, das es selbst will, scheidet ja hoffentlich aus, denn nach dem 15. Wechsel würde man  durch den Verlust jeglicher Kontrolle übers Pferd dann wohl jedes Galopprennen gewinnen. Oder etwa mit stetigen Druck ohne jegliche Bewegung am Zügel gegenhalten? Bloß nicht, ich glaube da würde meine Fancy sich nicht nur fest machen, die würde mich dann unverzüglich im hohen Bogen in den Sand setzen. Nur das Gebiss im Mund leicht bewegen, wie Sandra es als die zweite von zwei Möglichkeiten ihres gesamten reiterlichen Repertoires vorschlägt? Könnte beim hochsensiblen Warmblut klappen .. besitzt man aber wie meiner einer ein Pony oder einen Quarter, der möglicherweise Cutting-gezogen ist und ein Selbstbewusstsein hat, das durch keine Tür passt, ignoriert es dieses Hin- und Herbewegen oder es empfindet es als lustiges, kleines Kitzeln, auf das es nicht reagieren muss. Was nun, wenn das Gesamtrepertoire nur zwei Arten der Zügelhilfengebung bereit hält? "Oh wie schade", sagen und dem Pferd seinen Willen lassen, indem es die Reithalle zur Galopprennbahn umfunktioniert oder vielleicht doch die Intensität seiner Hilfen ans Pferd anpassen? Da viele Pferd es hassen, wenn man sie vorne festhält und dann erst recht losbrettern, gibt in diesen Fällen (also bei mir, nicht bei Sandra) als dritte mögliche Strategie wechselseitige Zügelhilfen, um dem Pferd zu sagen: Nach dem Wechsel bitte ein gleichmäßiges Tempo halten und locker bleiben; Hilfen, die eingestellt werden, sobald das Pferd das Tempo wieder hält. Und was macht unser Pferd danach: Richtig, es schnaubt ab, weil es sich entspannt. Ist das Tierquälerei?
Sandra Schneider ist ja jemand, der sich normalerweise nicht zu Kritik an ihren Methoden äußert, was wiederum das andere Extrem ist. Dafür teilt sie aber sowohl in der Sendung Pferdeprofis als auch in ihren Youtube-Videos gewaltig gegen andere Reiter aus und den Höhepunkt findet diese Anklage an die Reiterwelt in ihrem Buch: "Denn ihr fühlt nicht wie wir - Tagebuch eines Pferdes." (erschienen beim Pepper-Verlag in Pulheim). Ganz genau, das tun sie nicht, unsere vierbeinigen Freunde, deswegen müssen wir uns ja auch dem Pferd anpassen und das versteht diese Wattebällchen-Werferei so gar nicht, wird dadurch sogar regelrecht verunsichert, weil es nicht gesagt bekommt, was genau es eigentlich jetzt tun oder lassen soll. Aber ich glaube mit dem Werfen der Wattebällchen will man auch weniger dem Pferd gerecht werden, als dem eigenen Geldbeutel und da zählt wohl nicht, was das Pferd will, sondern wohl eher das, was das geneigte Publikum bezahlt: Den Traum vom Pferd, das so dankbar ist, dass es dem lieben, lieben Menschen niemals etwas Böses zuleide tut? Böse Zungen nenne das ja sogar konfliktscheu oder gar Selbstdarstellung.
Schneider ist aber nur ein Beispiel für die Fraktion, die alles besser weiß, aber nichts besser kann. Es gibt da ja auch noch eine allzeit aufgebrachte Facebook-Meute, bei der ich es immer wieder erstaunlich finde, dass gerade die, die in Facebook-Posts verlangen, dass man Tiere behandeln soll, wie ein rohes Ei (was ihrer Art ja so gar nicht gerecht wird), genau die Leute sind, die in ihren Kommentaren regelrecht beleidigend werden und sich nicht die Bohne davor scheuen, jedes verbale Mittel zu nutzen, um den Threadersteller mit Worten regelrecht ans Kreuz zu nageln. In Facebook-Gruppen wird sogar behauptet, dass 80 Prozent der Turnierreiter riegeln und man da sogar schon den Steward und die anwesenden Veterinäre angesprochen hätte und die hätten nichts gemacht. Ein Skandal? Nein, kein Skandal, die Stewards und Veterinäre sind Fachleute auf ihrem Gebiet und wissen im Gegensatz zum Facebook-Experten (der wohl deswegen alles weiß, weil er mal ein Pferd auf der Weide gesehen hat) halt, dass es Tausende von Möglichkeiten gibt, seine Hilfen ans Pferd zu bringen und jede Situation eine andere Vorgehensweise erfordert. Fragt doch einfach Eure Pferde, was sie lieber haben: Vorne permanent gehalten zu werden oder wechselseitige Zügelhilfen (wohlgemerkt: kurzfristig und nicht grob), die man auch Zupfen oder Spielen nennen könnte?
Ich zitiere ja immer gerne Pat Parelli und der hat mal gesagt: "Es kommt nicht so sehr darauf an, WAS man tut, sondern WIE man es tut, WANN man es tut und vor allem WARUM man es tut", sowie "Das was ich gelernt habe, als ich alles wusste, das ist es, worauf es ankommt."
Der außenstehende Zuschauer reitet vielleicht gar nicht und falls doch sein eines einziges Pferd im heimischen Wald oder der heimischen Reithalle Runde um Runde im Kreis (langweilig fürs Pferd). Dieser Laie sollte sich vielleicht einmal eingestehen, dass er nicht qualifiziert ist alles und jedes zu beurteilen. Er sollte vielmehr die Tatsache berücksichtigen, dass nur die wenigsten Pferde so talentiert sind, dass sie Scores über 70 laufen. Alle anderen machen Fehler, mal diesen, mal jenen und in jeder Prüfung läuft es sowieso anders als erwartet. Zuhause klappt bei fast jedem alles, schon alleine deswegen, weil man nicht den Druck hat, dass man nichts tun darf, was nicht auch schön und sanft aussieht - wo wohnen wir eigentlich? Utopia?
Man kann diesen hohen Ansprüchen meist nur gerecht werden, wenn man reich genug ist, sich ein Pferd im Wert eines Mittelklassewagens zu kaufen, denn wenn eine Korrektur des Pferdes auf dem Turnier notwendig wäre, dann traut man sich das deswegen nicht, weil die Hexenjagd dort allzu schnell eröffnet wird und die Inquisition noch nicht einmal perfekte Ritte gelten lässt, die es ja eigentlich sowieso nicht gibt. Kommt ein Pferd einmal für zehn Sekunden hinter die Senkrechte, schreit bestimmt irgendwer Rollkur (die auch ich verurteile - keine Frage), obwohl sogar meine Physiotherapeuten sagt, dass das für zehn, zwanzig, dreißig Sekunden sogar positiv für die Muskulatur des Pferdes ist; es darf sich da einfach nicht um Minuten handeln, schon gar nicht Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat und Jahr für Jahr (einen Artikel zu diesem Thema finden sie in meinem Buch: "Westernreiten zwischen Witz und Wissenschaft").



Da ich bei einer Verlagsbestellung Prozente erhalt, freue ich mich über jeden, der hier bestellt:


An dieser Stelle möchte ich auch kurz auf die Thematik üble Nachrede oder Beleidigung eingehen bzw. etwas zitieren, denn es kann durchaus juristischen Ärger geben, wenn man die Turnierreiter als Gruppe der Tierquälerei bezichtigt: "Je weiter meine Aussage von einem konkreten Menschen entfernt ist, desto heftiger darf meine Wortwahl ausfallen. Denn desto eher kritisiere ich ein soziales Phänomen und desto weniger greife ich eine konkrete Person in ihrer Ehre an. Das heißt nicht, dass ich über eine Gruppe alles sagen darf. (...) Schreibt jemand im Internet "Alle Männer sind Idioten", kann kein Mann die Aussage ernsthaft auf sich persönlich beziehen. Anders ist es, wenn ich über "die deutschen Ärzte" oder "die deutschen Richter" spreche. So viele gibt es davon nicht, und wegen ihrer Berufskleidung sind ihre Mitglieder gut abgrenzbar. Sie können als Gruppe beleidigt werden. Das Gleiche gilt für die aktiven Soldaten der Bundeswehr." Zitiert nach:  http://www.spiegel.de/panorama/meinungsfreiheit-was-darf-ich-sagen-und-was-nicht-a-1074146.html

Sei es drum: Meine Kinder und ich haben einfach keine Lust mehr uns für etwas zu verstecken, was vor zehn Jahr noch als richtig gutes Reiten gegolten hat, weil damals noch nicht die Laien zu Richtern gemacht worden sind. Auch uns beschleicht gelegentlich die Angst vor der hetzenden Meute auf Facebook. Wir trauen uns trotzdem und stellen auf Youtube auch die Videos öffentlich, wo es so gar nicht geklappt hat und obwohl unsere Youtube-Kanäle überwiegend gute Ritte zeigen von (Vize-) Meistertiteln oder ersten, zweiten, dritten Plätzen, lässt der Shitstorm nicht lange auf sich warten und den erzähle ich in Teil 2 dieser Satire.

"Satire????", fragt sich jetzt vielleicht der geneigte Leser: "Ich habe doch gar nicht gelacht." Dazu habe ich natürlich das passende Schlußwort:

Definition der Satire:

"Bitte nicht verwechseln! Satire und Comedy

Entgegen einer weitverbreiteten Meinung muss Satire nicht komisch sein. Du solltest Satire nicht mit Comedy verwechseln. Gut, Comedy ist häufig auch nicht komisch… Der Punkt ist: Comedy will primär witzig sein, will primär, dass die Leute lachen. Satire dagegen will primär Missstände anprangern und Unzulänglichkeiten aufzeigen.
Satire ist kritisch, will Bewusstsein schaffen und meist auch zu Veränderungen drängen. (....) Sie ist einseitig, polemisch, nicht selten aggressiv. Kurzum: Es ist nicht ihre Aufgabe, ihrem Gegenstand Gerechtigkeit widerfahren zu lassen."
Zitiert nach diesem Link: http://sarkasmus-ironie-zynismus.de/merkmale-der-satire/

Und wenn es mir mit einem etwaigen Shitstorm zu bunt wird oder ich (wie ggf. Horst Becker) das Gefühl habe, ich kriege das zeitlich nicht mehr hin, in diversen Facebook-Gruppen immer und immer wieder dasselbe zu erklären, z.B. warum der Text eben doch eine Satire ist, dann lösche ich entweder, wie Becker es getan hat oder ich deakiviere auf Facebook die Kommentarfunktion, denn all das ist selbst dann mein gutes Recht, wenn ich mit meinen Formulierungen total übers Ziel hinausschieße - das ist Absicht und um mich rechtlich abzusichern, schreibe ich da jedes Mal pfiffigerweise ganz unten drunter: SATIRE. Und deswegen unten drunter und nicht oben drüber, weil es doch die Idee ist, dass Leute sich erst einmal echauffieren: Es soll doch zum Nachdenken anregen.
Weswegen langweile ich Euch mit diesen Ausführungen über literarische Stilmittel? Weil nach einer Satire, die ich in meinem politischen Blog geschrieben habe, auf Facebook die Hölle los war und ich befürchtete, es dauert nicht mehr lange, dann werde ich auf dem nächsten Scheiterhaufen verbrannt:


In diesem Sinne: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Klappe halten.

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